Kritiken


Halb Mensch

 

Schrullige Menschen retten die Welt

Sonja Pikart präsentiert mit „Halb Mensch“ ein edles Stück Kleinkunst, das darauf eingeht, was Menschlichkeit und Menschsein ausmacht.

Im Programm „Halb Mensch“ verfolgt Sonja Pikart einen Gedanken, der dem des Science-Fiction-Autors Douglas Adams ähnelt: Im „Hitchhiker‘s Guide to the Galaxy“ waren es die Mäuse, die die Erde beherrschen und Menschen bloß brauchen, um Forschung zu betreiben. Bei Sonja Pikart wird die Erde von Künstlicher Intelligenz beherrscht: Sie braucht die Menschen nur mehr, um Energie zu erzeugen. Und wie? Indem im jedem Keller ein Mensch auf dem zuvor ungenutzten Hometrainer sportelt und so Energie generiert.

Diese Dystopie spielt Pikart im neuen Stück, das am 17. Jänner im Kabarett Niedermair Premiere hatte, auf äußerst witzige Weise. So düster der Blick in eine von der Technik beherrschte Zukunft wirkt, das Programm ist es gewiss nicht. Denn Pikart setzt auf Gegensätzliches: Sie stellt der Dystopie eine Utopie gegenüber, sie lässt rechts-konservative Polizisten auf weltoffene Studenten treffen.

Völlig easy schlüpft Pikart von einer Figur in die nächste, jeder Akzent und jede Geste sitzen optimal. Die in Wien lebende Westfälin hat ein brillantes Kabarettprogramm geschaffen. Das Setting ist ein geheimer Unterschlupf für Menschen, die noch nicht von den Elektronikgeräten versklavt sind. Ob mit Discokugel oder Piñata dekoriert, das Versteck bietet Platz für lange Gedankenausflüge in eine Welt, in der alles besser war, oder in eine Welt, in der nichts schlechter wird.

In sympathischer Weise geht Pikart auf die Systemfehler der Menschheit ein (Angst vor Fremden, mangelnde Vielfalt in der Gesellschaft), seziert das seelenlose Partyleben reicher Schnösel und positioniert sich für mehr Klimaschutz. In der Figur einer fleischverherrlichenden SUV-Fahrerin sagt sie: „Die Klimakleber protestieren gegen Methanausstoß. Aber sie lassen sicher auch mal einen Schas.“ Oder: „Was steht in Österreich unter Naturschutz? Jede Form von panierten Lebensmitteln.“

Themen wie Veganismus und Feminismus ziehen sich durch das politische Programm, in dem keine Tagespolitik vorkommt. Augen öffnend wirken besonders die Szenen, in denen Pikart ganz verschiedene Blickwinkel und Positionen einnimmt: Warum wollen die Menschen bei der Technik stets das Neueste und Modernste, während bei sozialen Fragen das Alteingesessene bevorzugt wird? „Ich hätt’ mal eine neue Idee! Wir erziehen unsere Söhne so, dass sie Frauen mit Respekt behandeln! Das bringt Fortschritt und kostet gar nix.“

Jegliche jammernde Argumente, warum man soziales Vorankommen bremsen müsste, macht Pikart herrlich lächerlich. Zugleich entlarvt sie Alltagsmythen und bringt den aberwitzigen Vorschlag, Talkshow-Diskutanten gemeinsam in eine Geisterbahn zu setzen.

Und wie wandelt sie die KI-beherrschte Dystopie in eine Utopie, in der wir selbst die Welt besser machen? Durch Schrulligkeit. „Irrational sein trickst die KI aus. Lasst uns der Fehler in der Matrix sein!“ Ein edles Stück Kleinkunst, das Sonja Pikart hingebungsvoll umgesetzt hat. (Veronika Schmidt, Die Presse, 23.01.2024)

 

Deutschlandpremiere im Alten Kino: Schrulligkeit ist aller Freiheit Anfang

 

Sonja Pikarts Kabarettprogramm „Halb Mensch“ öffnet bei der Premiere im Alten Kino Augen und Ohren für den Weg aus dem „Bunker der Angst“.

Die Evolution als „sehr glückliche Frau, die einen sitzen hat“ zu bezeichnen: Gäbe es einen Preis für das zugleich am meisten überraschende wie auch punktgenau treffende Sprachbild, Sonja Pikart hätte ihn für diese Beschreibung widerspruchslos verdient. Zumal so fein filetierte Gedanken und Sentenzen nicht nur Momentaufnahmen waren bei ihrer Deutschlandpremiere am Freitagabend im Alten Kino in Ebersberg. Sie zogen sich als charakteristisches Gewürz durch das gesamte Programm, das sich als nahrhaft für den Geist erwies, ohne zu übersättigen.

 

Wenn sich mal jemand fragen sollte, was aus dem guten, klugen, inspirierenden Kabarett geworden ist, das einst unser Leben klarer und klüger gemacht hat, dann gibt es seit diesem Auftritt eine ermutigende Antwort: Es lebt.

 

Es lebt gerade davon, dass Pikart aus dem Stand Gedanken in die Welt setzt, die nur Nuancen von der Wirklichkeit entfernt scheinen, um sich eine Denknuance später als solche zu entpuppen. Menschen, die sich aus Sorge über ihr Gewicht am Hometrainer abstrampeln, um Energie für Saugroboter und Künstliche Intelligenz zu erzeugen: Wer möchte zweifeln? Dass „besch****ne Traditionen das neue CO₂“ sind, für das es dringend einen Handel mit Zertifikaten braucht: Wem erscheint das nicht zielführend? Dass das Ende der Menschheit eine „Talkshow ist, bei der sich der ganze Planet prügelt“: Wer wartet nicht darauf?

 

„Halb Mensch“ hat die Kabarettistin dieses neue Programm genannt, womit sie ganz offenkundig nicht nur sich selbst meint, sondern diese Welt und ihre Menschen, die sie mit Liebe und Nachsicht betrachtet, um sie anschließend cayennepfefferscharf zu analysieren. Die Präzision und Anschaulichkeit mancher Gedanken gereichten manchen zur Ehre, die sich als Philosophen bezeichnen: Bedeutet der polarisierende Diskurs, der die öffentliche Meinung prägt, bedeutet dieses kategorische „richtig oder falsch“, „dafür oder dagegen“ nicht etwa, dass „wir“ zu KI geworden sind? Zur KI, die ihre Entscheidungen computerkonform auf der Basis „1 oder 0“ fällt?

 

Der Rahmen, den Pikart ihrem Programm gibt, verlegt den Ort des Geschehens in einen Bunker. Einziger Schmuck: Eine still in sich ruhende Discokugel, die sich nach der Pause einer überraschenden Metamorphose unterzieht. In diesen abstrakten Raum (Oder ist es eine konkrete Blase?) haben sich angstvoll die Menschen zurückgezogen, weil „draußen“ die Maschinen und Roboter die Herrschaft übernommen haben. Ihre Rolle gerät schnell zu der, die ein glühender Draht für einen Eiswürfel spielt: Es taut, es fließt, es verändert sich radikal der erstarrte Zustand. Das schiere Paradoxon, dass ihr erhellender Auftritt zum einen Licht in diesen Bunker bringt, zum anderen aber ihre energiegeladenen Appelle dazu beitragen wollen, die Menschen wieder daraus hervorzulocken – das ist große Kunst. Gleichzeitig sind ihre überzogenen, unverzagt ins Dunkel des Raums gestanzten klugen Kurzkommentare so erschütternd, dass einem das Glas vor dem Mund zittert, weil man immer wieder über ihr „Es ist schlimm“ lachen muss.

 

Sonja Pikart versteht das Publikum nicht nur mit ihren Worten zu begeistern, sondern auch mit ihrer Schauspielkunst.

 

Aus diesem Ansatz ergibt sich praktische Lebenshilfe, um die Technik mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Müssen wir bei jedem Hashtag Worte wählen, die auch das Bild beschreiben? Oder sollten wir Suchmaschinen und KI nicht mit einem schrulligen #nudelholz unter dem Sonnenuntergang in die Irre führen? Das ist ein ebenso einfacher wie umwälzender Vorschlag, um das eigene Profil wieder weniger durchschaubar, dafür mehr eigen zu machen: „Ich bin eine merkwürdige Person, nicht nur für Amazon und Google.“ Es sei die Schrulligkeit, die uns zu Menschen mache, ist Pikart überzeugt und ermutigt die Anwesenden, sich dieser Eigenschaft zu bedienen. Nicht um andere zu erheitern, sondern mutig den eigenen Weg, die eigene Freude am Leben sichtbar zu machen. Aber nicht nur auf der technischen Seite, auch im menschlichen Miteinander weisen die diversen Bühnenfiguren Wege, um aus der Klimakatastrophe von Verlogenheit und Überheblichkeit auszubrechen und einen persönlichen Klimawandel herbeizuführen. Der fingierte Dialog der „Humanisten“ über ihre fleischliche Nahrung entfaltet gallebitteren Geschmack erst beim Abgang in die Tiefen des Bewusstseins: „So lange der Mensch (!) vorher ein schönes Leben hatte…“

 

Ihr Meisterstück ist die überspannte Wienerin, der die Welt „so was von wurscht“ erscheint

 

Was sich nachhaltig auf den Aggregatzustand „Publikum“ auswirkt, ist Pikarts ausgefeilte Schauspielkunst. Kunstvoll und konsequent geht sie zu Werke, wenn sie in Höchstgeschwindigkeit die Persönlichkeiten wechselt, die sich auf der Bühne Wortgefechte liefern oder – mal grobe, mal elegante, mal dusslige, mal kluge – Dialoge entwickeln. Das frühlingsfrische Girlie oder die verhuschte, seelenverletzte Träumerin, der unsexy, gutgläubige Jüngling und der kernig, kraftstrotzende Polizist: Sie alle entwickeln in Sekundenschnelle eine glaubwürdige Persönlichkeit mit so scharfen Konturen, dass man sie nicht nur hören und spüren kann, sondern sogar vor sich sieht, selbst wenn da immer noch die gleiche Kabarettistin vor uns steht. Mit winzigen Veränderungen in Mimik, Haltung, Gestik, vor allem aber: Sprache, vollziehen sich in Windeseile Wandlungen, die so unglaublich scheinen, dass sie schon wieder wahr werden. Das Meisterstück schließlich ist die überspannte Wienerin von fortgeschrittener Lebenserfahrung, der die Welt so etwas von wurscht erscheint und die sich dermaßen souverän das Krönchen der eigenen Richtigkeit aufsetzt, dass es eine wahre Freude ist – und der man es anmerkt, dass die Pikart nicht nur bei der Postleitzahl in ihrer Wahlheimat angekommen ist, sondern mit Leib und Seele die Transformation von der westfälischen zur wienerischen Sentimentalität vollzogen hat.

 

Kein Wunder, dass sie demnächst den österreichischen Kabarettpreis erhält. Dessen Jury ihre Anerkennung für „Halb Mensch“ in den Sätzen zusammengefasst hat: „Eine U- und Dystopie, ein brillantes und irrwitziges Programm, das einige reale Knackwatschen in petto hat.“ Welche, da verbal ausgeteilt, keinerlei Schmerz verursachen, sondern den inneren Erkenntnisgenerator anschubsen. Was sich beim Ebersberger Premierenpublikum in einem heftigen Ausbruch von Applaus, freudigem Lachen und angeregten Nachgesprächen bemerkbar machte. Beide Auszeichnungen: Hochgradig verdient.

(Ulrich Pfaffenberger, Süddeutsche Zeitung, 13.10.2024)

 

Menschliche Fehler in der Matrix

Dass sich Sonja Pikart in nur wenigen Jahren fix in der heimischen Kabarettszene etablieren konnte, verdient besonderen Respekt. Denn ein Startvorteil war es gewiss nicht, in Wien erstens norddeutschsprachig und zweitens als Frau ins Rennen zu gehen.

In ihrem vierten Solo „Halb Mensch“ entwirft sie vor dystopischer Kulisse – künstliche Intelligenzen haben die Macht übernommen – ein fesselnd aberwitziges, von Holzwegen und Hyperventilation, Talkshows und toxischen Beziehungen gezeichnetes Sittenbild inklusive unverblümt pointierter Kritik an gesellschaftspolitischen Missständen. Welche Tradition wird bei uns wohl eher als Kulturerbe unter Schutz gestellt: „Korruption oder Femizid?“

Warum begrüßen wir soziologische Innovationen nicht mit der gleichen Begeisterung wie technologische? „Du kannst deinem Sohn jetzt beibringen, dass er Frauen mit Respekt behandelt. – Echt? Geil, wo kriegt man das?“ Haben wir uns mit unserem Schwarz-Weiß-Denken schon selbst zu berechenbaren binären Robotern entwickelt? Es bedarf dringend mehr menschlicher Schrulligkeit.

Mit szenischer Fantasie, scharfsinnigem Humor und oft eindringlicher Vehemenz gelingt Pikart ein ebenso kluges wie komisches Kabarett der obersten Spielklasse. (Peter Blau, Falter, 06.02.2024)

 

Halb Mensch: Sonja Pikart im Schutzbunker

Enttäuschung beim Tinder-Date: „Wir hatten uns zum Eisbaden verabredet – aber dann ist sie einfach nicht aufgetaucht.“ Zack – und schon ist es passiert. Ich war bei Sonja Pikart – und ich habe gelacht. Ihr neues Programm „Halb Mensch“ spielt in der nahen Zukunft – im Jahr 2025. KünstIiche Intelligenzen haben bereits die Weltherrschaft an sich gerissen. Sonja Pikart schafft es, sich als Mensch auszuweisen („Ich bin kein Roboter“ angeklickt) und kann sich in einen Schutzbunker retten. Drinnen unterhält die Kabarettistin („Wenigstens ein Job, wo es nicht darum geht, andere Leute über den Tisch zu ziehen“) mit ihren Beobachtungen.

Sie erzählt von Mythen („Harte Arbeit führt unweigerlich zum Erfolg“, „Der Markt reguliert sich selbst“), Traditionen („Damit kann man alles rechtfertigen, was unmoralisch ist“), Fotos von Männern auf Datingplattformen („Schau! Ich auf einem Gipfel! Schau! Ich hab einen Fisch gefangen!“) und Schlauchkleidern in der Volksgartendisco („Perpetuum Mobile“). Ein schönes Bild, wenn Maschinen über Humanismus bzw. die artgerechte Haltung des Menschen diskutieren („Ich schau, wo der Mensch herkommt, das ist mir total wichtig“). Aber wie konnte es mit der KI eigentlich so weit kommen? (Für den technologischen Fortschritt tun wir Menschen alles, für sozialen Fortschritt hingegen…)

Sonja Pikart für die Vielfalt: „Ich weiß, ihr sagt Zuckerl, ich sag Bonbons! Wir sind verschieden!! Ist ein das nicht schön?!!!“

Fazit: Künstliche trifft auf menschliche Intelligenz: Sonja Pikart, die „Frau Ende 30 mit Kurzhaarschnitt und Feuermal an der Schläfe“, verbindet schlaue Gedanken und schräge Charaktere mit einer unterhaltsamen Science-Fiction-Geschichte. Sie überrascht – und rettet damit auch noch die Welt! Sonja Pikart – jetzt neu! (Kulturblogger Florian Kobler, 21.01.2024)

 

 

Ein Spatz, ein Wunsch, ein Volksaufstand

 

Kabarettistin Sonja Pikart: Querdenken mit der Hausverwaltung

Sonja Pikarts Weg hin zu einer der spannendsten Kabarett-Aufsteigerinnen des Landes ist ein ungewöhnlicher. Die gebürtige Deutsche kam 2009 aus Aachen nach Wien, um am Konservatorium Schauspiel zu studieren. Das hat auch geklappt, denn schon bald stand sie nicht mehr "nur" auf den Bühnen des WUK und der Drachengasse, sondern auch auf der des Volkstheaters oder zuletzt des Hamburger Schauspielhauses.

Studiert hat sie schon bald aber auch etwas anderes: Die Marotten der Menschen um sie herum, die Eigenheiten ihrer Generation, der das Etikett Y aufgeklebt wurde, und die großen gesellschaftlichen Trends, mit denen sich diese Menschen mehr oder weniger freiwillig auseinanderzusetzen haben.

Wer all das beschreiben und sezieren will, muss früher oder später im Kabarett landen. 2015 debütierte Pikart mit ihrem Programm Gluten Abend!, in dem – nomen est omen – das Himmelfahrtskommando gesunde Ernährung abgeklopft wird. 2019 folgte das Solo Metamorphose, wo alle Fragen zur eigenen Identität, die im PR-Text als "postmodern-heterosexuell, keltisch-mitteleuropäisch, neopositivistisch-atheistisch" beschrieben wird, vertieft wurden.

Einen österreichischen Kabarettförderpreis und drei Terminverschiebungen später, ist nun das dritte Programm von Sonja Pikart auf der Bühne des trotz Corona-Schikanen äußerst gemütlichen Wiener Orpheums angelaufen. Es heißt Ein Spatz, ein Wunsch, ein Volksaufstand und klingt komplizierter, als es ist. Denn zusammenfassend könnte man sagen: Es ist vielleicht das erste wirklich gute Kabarett zur Coronapandemie. Und zwar nicht auf eine oberflächliche Art, die ins Anekdotenhafte abgleitet, sondern mit Bezug zu der einen Frage, die seit eineinhalb Jahren ganz groß im Raum steht: Wo bleibt die Freiheit?

Jetzt ist so ein Kabarettprogramm natürlich kein Philosophicum, man will ja schließlich nicht mit Gehirnschlag vom Sessel kippen, aber Sonja Pikart schafft es, die Pointenschleuderei in einen großen Bogen einzuspannen, wobei ihr als Rahmenhandlung die Metapher eines Vogels im Käfig dient – treffender lässt sich das theoretisch freie Individuum während der CoV-Lockdowns wohl nicht beschreiben.

Bis wir in diesem Programm aber bei der Pandemie angelangt sind und sie uns von schimmligem Sauerteig und Co berichten kann, hat Pikart bereits vom Paradox der Familie erzählt: Sobald man sich nämlich von der eigenen losgesagt hat, um seiner Wege zu gehen, begibt man sich schnurstracks in die Fänge einer zu begründenden noch eigeneren Familie. Verrückt oder? Noch freiheitsberaubender empfindet Pikart aber all die "guten Ratschläge", die seit der Pandemie permanent auf einen niederprasseln.

In einem wunderbar überspitzen, aber zugleich sehr wahrhaftig aus dem Leben gegriffenen e-Mail-Dialog mit der Hausverwaltung über die unmögliche Reparatur eines Dunstabzugs, erreicht Pikart Loriot‘sche Momente. Dem Querdenkertum setzt sie dann schauspielerisch virtuos auch noch ein Denkmal, indem sie in die Rollen einer linksgrünen Hippie-Quatschtante und einer rechtsrechten Germanin schlüpft, die sich auf der Wiener Esoterikmesse erstaunlich nahe kommen.

Treffende Beobachtungen aus Politik, Alltag und Gesellschaft, toll vorgetragen. Ein starkes Programm. (Stefan Weiss, 17.9.2021)

 

Püppchen mit frecher Schnauze

"Wenn ich ein Vöglein wär . . .", dann wäre Sonja Pikart kein Adler, sondern ein Spatz auf einem Markt in Burma, der dort gegen Geld von Touristen in die Freiheit entlassen wird. Oder so. Denn die Geschichte von dem freien Vogel, mit der die Wahlwienerin aus Aachen ihr neues Soloprogramm beginnt, ist eigentlich letztlich eine traurige. So wie die vergangenen eineinhalb Jahre für die freischaffende Künstlerin.

 

Aber auch abseits vom allgegenwärtigen Thema Corona und Lockdowns dreht sich bei Pikart alles um die Freiheit und das Entfliehen: zum Beispiel dem heimatlichen Dorf; den womöglich vererbten Angewohnheiten der eigenen Eltern; und natürlich den vielen ungefragten guten Ratschlägen von allen Seiten. Die Preisträgerin beim Österreichischen Kabarettpreis 2019 geht - soweit das eben in diesen Zeiten möglich ist - mit offenen Augen durch diese Welt und sammelt Abstrusitäten, die sie dann auf der Bühne erzählt. Wer dabei die gertenschlanke Blondine als zartes Püppchen einordnet, wird rasch belehrt: Dieses vorgebliche Püppchen hat es faustdick hinter den Ohren. Und eine freche Schnauze, die für einen launigen Abend sorgt. (Matthias Ziegler, 17.9.2021)

 

Kabarett im Kulturstadl

"(...) feinsinniger, tiefgehender Vortrag zu zahlreichen Themen junger Großstadtfrauen." (BVZ, 30/2022)

"Die Kabarettistin Sonja Pikart erreichte überraschend schnell mit ihrer politischen Botschaft, die man aufs Erste der Lebenswelt junger urbaner Frauen zuordnen würde, die Herzen der Zuschauer" (Bezirkszeitung, 26.07.22)

 

 

 

 

Metamorphose

 

Jurybegründung Kabarettpreis

"Die Jury zeichnet (...) eine Künstlerin aus, der mit ihrem zweiten Solo inhaltlich und darstellerisch ein beeindruckender und vielversprechender Sprung gelungen ist. In „Metamorphose“ nimmt sie sich eines drängenden, die aktuelle Politik und Kunst prägenden Themas an: der Identität. Sonja Pikart sucht nach ihrer eigenen Identität, stellt den Begriff an und für sich in Frage und verhandelt damit große gesellschaftliche Anliegen auf pointierte und kluge Weise. Die aus Aachen stammende und in Wien lebende Kabarettistin beweist zudem große schauspielerische Fähigkeiten, ein hohes Maß an Kreativität und den beachtlichen Mut, auch ernste, persönliche Themen mit Selbstironie, schwarzem Humor und viel Gefühl für tragikomische Nuancen kabarettistisch aufzubereiten. Noch niemand gelangte so poetisch und schlüssig von einem Wasserkocher mit Siedepunktverlängerung zu substantiellen Konflikten der Menschheit."

 

 

"Die Poesie der Siedepunktverlängerung - Sonja Pikarts 'Metamorphosen'

'Ich bin Sonja Pikart, sonst bin ich flexibel', sagt die aus Aachen stammende und in Wien lebende Kabarettistin und präsentiert ihr zweites Solo "Metamorphose". Es geht etwa um Kämpfe mit Identitäten ('Ich bin eine transnationale, heterosexuelle cis-Frau') oder Freundinnen, deren Lebensmittelpunkt nach der Hochzeit die Dunstabzugshaube ist. Zu Beginn wirkt das Programm wie eine freundliche Plauderei. Doch spätestens wenn Pikart vom Wasserkocher mit Siedepunktverlängerung zum Thema Depressionen gelangt, wird klar, wie großartig vielschichtig die Künstlerin agieren kann. Ihr komödiantisches Talent verbindet sie gekonnt mit tiefgehenden, schweren Konflikten und findet zu einem bemerkenswerten poetischen Ende."

Falter 48/18